–Fortsetzung-
Sie dürfen mich auf jeden Fall nicht falsch
verstehen, dass die persönliche Entwicklung des Freiwilligen das einzige Ziel
des weltwärts-Dienstes ist. Ein anderer Grundgedanke des Projekts ist das
sogenannte "Brücken bauen" bzw. voneinander lernen. An dieser Stelle
würde ich den Aspekt des "Helfens" bzw. "Veränderns"
nochmals gerne aufgreifen und Sie fragen, inwiefern ich als 19 Jähriger
Abiturient, mit geringem Wissen über die Verhältnisse vor Ort, dazu
qualifiziert bin, etwas zu verändern bzw. im welchem Sinne die Leute auf meine
Hilfe angewiesen sind? Ich befinde mich weder im einem Kriegsgebiet, noch
mangelt es den Menschen hier an lebensnotwendigen Ressourcen, Wohnräumen und
Bildungseinrichtungen (die auch ohne die Hilfe eines Freiwilligen auskommen
müssen). Macht das also den ganzen Einsatz vollkommen wertlos, wenn hier keine
Hilfe gebraucht wird? In erster Linie muss man das so sehen, dass die Menschen
hier sich alles, entsprechend den Verhältnissen, selber erbaut haben und dies
nun auch alles ohne fremde Hilfe laufen muss. Eine Abhängigkeit gegenüber
anderen Ländern, Firmen oder Organisationen würde dem Entwicklungsprozess
sicher nicht zu Gute kommen. Wieso, kann sich wohl jeder selber erklären. Meine
Funktion bei der ganzen Sache ist es als "Plus" zu fungieren, also
meine Fähigkeiten in den Prozess mit einzubeziehen, um so Impulse in
verschiedene Richtungen zu geben, die vielleicht noch nicht bekannt waren.
Genau das Gleiche findet auch andersrum statt, indem ich neue Eindrücke
gewinne, die mir bisher noch komplett unbekannt waren.
Dazu einige Beispiele:
Es ist zwar offiziell verboten, viele Schulen
halten sich jedoch nicht daran: das Schlagen der Schüler als Bestrafung.
Anfangs versuchte ich es einfach hinzunehmen und redete mir ein, dass die
Lehrer schon wüssten wie sie die Klasse am besten unter Kontrolle bringen. Zur
Verteidigung der Lehrer muss ich dazu sagen, dass auch sie mit dem System
aufgewachsen sind und dementsprechend kein anderes kennen. Selbstverständlich
macht es ihnen auch keinen Spaß ihre Schüler zu schlagen, es ist eben der
einfachste Weg alle schnell ruhig zu kriegen. Zugegeben machte es auch erst mal
den Eindruck, die einzige Möglichkeit zu sein, sich Respekt zu verschaffen und
die Klasse kontrolliert zu unterrichten. Ich war dennoch von Anfang an dagegen und
versuchte es mit alternativen Methoden, die uns auch in Deutschland bekannt
sind. Strafarbeiten, vor die Tür, persönliche Gespräche etc. Das kombinierte
ich dann mit einem fordernden Unterricht, an dem sich alle Schüler beteiligen
sollten, damit die Inhalte auch wirklich jeden erreichen. Und voila, das
Rezept, ohne Schlagen zu unterrichten, war gefunden. Dazu kommt auch viel mehr
Lehrstoff bei den Schülern an, da sie im Gegensatz zum langweiligen
Frontalunterricht, endlich mal richtig gefordert werden. Schnell sprach es sich
im Kollegium rum, während mich einige kritisch beäugten, kam der Großteil der
Lehrer doch interessiert auf mich zu, um sich Tipps zu diesem bisher noch
unbekanntem Format abzustauben. Vielleicht wird es mal ganz an der Schule
übernommen, wer weiß...
Oder sei es das Skaten, von dem viele hier noch nie
was gehört haben (an dieser Stelle Grüße raus an die Sk8-Community). Die einzig
bekannte Art des Skatens hier ist das "Bladen" also das Rollschuhfahren,
das durfte ich natürlich nicht einfach so auf mir sitzen lassen. Da es anfangs
sehr schwer war, einer großen Gruppe mit nur einem Skateboard, etwas
beizubringen, fiel die ganze Sache voreilig aufs Eis. Mit der Zeit fand sich
aber ein Schüler der 8. Klasse, der regelrecht davon fasziniert war und es
unbedingt lernen wollte. Trotz Zeit und Platzmangel kam es dann doch endlich
zum Skate-Unterricht, der nun schon seit knapp 3 Monaten stattfindet, und das
mit großen Erfolgen ( der FS180 sitzt bald). Nach Beendigung meines Einsatzes
hinterlasse ich ihm auch mein Board, damit er fleißig weiterüben kann und
hoffentlich weitere Personen dazu inspiriert.
Um nicht den Eindruck zu erwecken, dass ich nur
gelehrt habe sondern auch gelernt, noch ein kleines Beispiel:
Indien ist ein extrem religiöses Land, wenn nicht
sogar das Religiöseste überhaupt. Keine Religion zu haben bzw. an keinen Gott
zu glauben, gilt hier als Undenkbar. Die größte Gruppe bildet hierbei der
Hinduismus mit knapp 80 %, gefolgt vom Islam mit 13 % und dem Christentum mit 3
%. Während man vielleicht aus den Medien etwas über den Hindu-Nationalismus
gelesen hat, der repressiv versucht gegen andere Religionen (vor allem Islam)
vorzugehen, spiegelt das natürlich keineswegs die Meinung des allgemeinen Volkes
wieder. Zugegeben findet eine Unterdrückung statt, dies aber hauptsächlich in
Nord-Indien und wenn auch nur in wenigen Gebieten. Der Süden ist in der
Hinsicht viel aufgeschlossener. So ist die Toleranz auch viel größer. Religiöse
Feste werden von Gläubigen jeder Religion zusammengefeiert, so z.B Diwali, an
dem alle abends auf die Straße gingen um zusammen zu böllern. Jesus gilt für
viele Hindus auch als Hindu-Gott, bei den Moslems wird er als Prophet verehrt.
Oder schon um 5.00 Uhr morgens, wenn der Muezzin über voll aufgedrehte
Lautsprecher aus dem nächstgelegenem Minarett zum Gebet ausruft und nicht
sofort eine wütende Menschenmasse erscheint, die ihn auffordert gefälligst
leise zu sein. Der Grundgedanke ist eben der, dass alle durch ihren Glauben an
etwas Höheres zusammen verbunden sind, es gibt kein richtig oder falsch.
Da man im Alltag ständig mit religiösen Dingen
konfrontiert wird, bleibt einem nichts anderes übrig als sich darauf
einzulassen. Und das ist auch gut so! Für mich eine unglaubliche Lektion in
Sachen Toleranz.
Um langsam zum Schluss zu kommen, würde ich noch
über eine Aufgabe von mir berichten, die mir persönlich am wichtigsten
erscheint. Und zwar ist es das gemeinsame Leben mit den Hosteljungs. Ich lebe
hier ja mit zwei Fathern, einem Brother und den Jungs auf einem Gelände.
Derzeit sind es ca. 40 im Alter von 10-16 Jahren, die Meisten aus sehr
ärmlichen Verhältnissen. Unter ihnen befinden sich auch zwei Waisen. Zwar
verstehen sich die Jungs sehr gut miteinander und albern auch viel zusammen
rum, allerdings merkte ich im Laufe der Zeit immer mehr, dass ihnen etwas
fehlt. Die liebenden Eltern, die ihnen die nötige Aufmerksamkeit schenken, zur
Seite stehen und ihnen das Gefühl vermitteln "gebraucht zu werden".
Einige bekommen sonntags Besuch von ihren Eltern, so richtig nach Hause können
sie dann aber nur über die Ferien, von denen es hier, bis auf die zwei Monate
Sommerferien, nicht all zu viel gibt. Auch darauf freut sich nicht jeder, da
einige aus Krisenfamilien kommen, bei denen nicht alles so harmonisch abläuft,
wie man es sich gerne vorstellen möchte. Von den Fathers können sie auch keine
Zuwendung erwarten, die vermitteln ihnen eher das Gefühl nutzlos zu sein und
alles falsch zu machen. Sie sehen eben nicht, dass es noch Kinder sind. Kinder
die lieber spielen wollen, statt den ganzen Tag zu lernen, Kinder die einfach
mal Kind sein wollen ohne sofort bestraft zu werden. Besonders in der Schule
merke ich, wie sich diese fehlende Zuneigung auf die Jungs auswirkt. Viele sind
im negativen Sinne sehr auffallend, ständig in Streit verwickelt,
Konzentrationsschwächen und dementsprechend auch schlechte Noten oder zum Teil
völlig von der Klasse isoliert.
Deshalb versuche ich gewissermaßen in die Rolle des
großen Bruders zu schlüpfen, um den Jungs die gebrauchte Aufmerksamkeit zu
schenken, ihnen in schweren Zeiten beizustehen oder auch manchmal aus der
Patsche zu helfen. Dabei darf man aber nicht zu viel Nettigkeit zeigen, da
sonst alles nach Hinten losgehen würde. Die Jungs hätten keinen Respekt vor
mir, würden mich nicht ernst nehmen, bzw. einfach schamlos ausnutzen. Deshalb
darf man seine Strenge auf keine Fall verlieren, da Respekt in solchen Sachen
eine essenzielle Rolle spielt. Dazu kommt, dass es bei einer Gruppe von 40 sehr
schwer ist, sich auf jeden individuell einzustellen und alle im gleichen Maße
zu behandeln, damit es zu keiner Eifersucht kommt. Steht man ihnen aber zu nah,
stellt das auch ein Problem dar. Schließlich endet meine Zeit hier auch
irgendwann, sind sie dann zu sehr emotional an mich gebunden, werden sie eine
weitere Enttäuschung erleben, wenn ich nicht mehr da bin.
Ich sehe meine Aufgabe keineswegs darin, ihre
Eltern zu ersetzen oder sie zu ordentlicheren Menschen umzuerziehen, eher
darin, ihnen das Leben im Hostel erträglicher zu machen und was auf den Weg
mitzugeben. Metaphorisch gesehen, versuche ich ihnen einen Samen in den Kopf zu
pflanzen, der mit der Zeit wächst und in Zukunft vielleicht mal zu einer Frucht
anreift. Wie der Prozess abläuft, entscheiden ganz und alleine die
Kinder.
Eine andere Sache für die ich mich im Moment stark
mache, ist die Organisation eines Patenschaftsprojektes für die im Kinderheim
lebenden Kinder, von dem ich mal berichtet habe. Die Familie von einem Freund
von mir, leitet in einem kleinen Dorf außerhalb Amaravathi, ein Kinderheim für
Waisen- und Halbwaisenkinder. Insgesamt leben dort 14 Kinder, Jungs und Mädels
im Alter von 8-12 Jahren. Da alle aus Feldarbeiterfamilien abstammen, finden
sie bei Familienangehörigen keine Obhut, weil diese fast den ganzen Tag auf dem
Feld arbeiten müssen und keine Zeit bzw. auch kein Geld haben um ihre Erziehung
zu finanzieren. Zu Besuch kommt es glücklicherweise auch manchmal, dann aber
auch nur am Sonntag oder anderen freien Tagen, schließlich haben die zugehörigen
Tanten und Onkel auch ihre eigenen Kinder.
Zwar gehe ich mit der Mutter meines Freundes, ab
und zu mal mit um mit den Kindern zu spielen, was sich dann oftmals aber, dank
der Sprachbarriere, als nicht so leicht rausstellt. Weil ich in der ganzen Sache
allerdings mehr Potenzial sehe, bin ich derzeit auf der Suche nach
Patenschaftsfamilien, die sich dazu bereit erklären würden, den Kindern etwas
unter die Arme zu greifen und sie in ihr Familienleben mit einzubeziehen. Sei
es durch regelmäßig stattfindende Treffen, an denen man z.B zusammen lernt,
Einladungen zum Mittagessen am Wochenende oder gemeinsamen Familienausflügen.
Denn schließlich ist es das Familienleben, das den Kinder besondere Werte
vermittelt und essenziell wichtig für ihre Entwicklung und mentale Gesundheit
ist.
Zu guter Letzt, würde ich mich an Sie mit einer
besonderen Bitte richten. Nachdem ich Ihnen mein Projekt bzw. den Sinn hinter
dieser Art von Freiwilligendienst, hoffentlich detailliert genug näher gebracht
habe, wäre ich Ihnen außerordentlich dankbar, wenn sie mir eine kleine Spende
da lassen würden. Um diesen Dienst auszuführen bzw. auch in Zukunft anbieten zu
können, ist die finanzielle Unterstützung von ungeheurem Wert für dessen
Fortbestand, da das Projekt eben auch auf Spenden basiert ist. Diese werden vor
allem dazu benötigt, um meine Entsendeorganisation finanziell zu entlasten, die
die Kosten für meine Vorbereitung (die ich als extrem wertvoll erlebt habe und
mir das Einleben vor Ort im großen Sinne erleichtert hat), Unterkunft und
Versorgung vor Ort, stellt.
Mir ist bewusst, dass den größten Teil der Leser
meine Freunde und Bekannte ausmachen. Ich weiß, dass ihr alle zum Teil nicht
erwerbstätige Schüler oder Studenten seid und nicht das größte Vermögen
besitzt, doch auch ihr geht am Wochenende raus und gebt ab und zu die ein oder
anderen Summen für Klamotten etc. aus. Besonders euch würde ich bitten,
vielleicht einfach mal aufs Saufen oder das neue Paar Schuhe zu verzichten und
mir diesen Betrag gönnen. Schließlich ist es keine riesen Bitte von meiner
Seite aus, wenn ihr zurückdenkt, für was ihr in der Vergangenheit so euer Geld
ausgegeben habt, einfach mal mit einer Spende etwas Gutes zu tun. Vor meiner
Ausreise hab ich es wahrscheinlich nicht deutlich genug gezeigt, wie wichtig
mir diese Angelegenheit ist, doch nun wisst ihr ja Bescheid. Auch wenn es nur 5
oder 10 Euro sind, Spende ist Spende und würde mir unglaublich weiterhelfen!
Überweisen Sie einfach einen Betrag den Sie/ihr als
richtig erachten auf folgendes Konto:
Kongregation der Pallottinerinnen/MaZ
Bank: Liga Bank München/Regensburg
IBAN: DE52 7509 0300 0102 1839 35
BIC: GENODEF1M05
Verwendungszweck: 203567 (für Spendenquittung
bitte Adresse angeben)
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