Samstag, 1. April 2017

Jetzt wirds mal ernst

Namaskarman meine Damen und Herren,
nach meinen letzten Beiträgen zu meinem Leben in Amaravati und der ein oder anderen Reise, möchte ich das Selbstbezogene etwas in den Hintergrund stellen um Sie über gewisse andere Sachen zu informieren. Wer sich also näher nach meinem Gemütszustand erkundigen möchte, sollte mich lieber persönlich kontaktieren und sich jetzt nicht allzu viel erhoffen.
Nun denn würde ich trotzdem kurz was zu meinen Erlebnissen der letzten zwei Monate sagen, ohne großartig darauf einzugehen. Wie ich schon im letzten Artikel erwähnt habe, war ich Anfang Februar auf dem Zwischenseminar in Tiruchirapalli (kurz Trichy). Dort trafen sich alle derzeitigen MaZler in Indien um sich nicht nur über ihre Erfahrungen und Erlebnisse auszutauschen, sondern auch durch Treffen mit indischen Studenten und Professoren sein kulturelles Verständnis zu vertiefen oder vielleicht auch zu hinterfragen, man weiß ja nie. Ich persönlich habe das Seminar als sehr wertvoll erlebt, da ich daraus viel Motivation für die kommenden Monate schöpfen konnte und es einfach mal wieder gut war, in einer Gemeinschaft zu leben, die aus dem gleichen Kulturkreis kommt. Höhepunkt war der "deutsche Abend", an dem ich gemütlich-am-Bier-nippend Grillmeister spielen durfte, wie es sich auch gehört ;)
Nach dieser phänomenalen Überleitung, würde ich gerne mit dem Teil anfangen, in dem Tacheles gesprochen wird. Das ganze wird, wegen der Länge, in drei Posts aufgeteilt. Die ersten beiden Posts werden keine Bilder enthalten, der dritte ist dafür aber ein purer Bilderpost, der ohne große Worte meine letzten zwei Monate beschreibt.

Ich bitte Sie sich für das Nachfolgende wirklich Zeit zu nehmen und nicht einfach unkonzentriert zu überfliegen, um das darin Geschriebene auch wirklich nachzuvollziehen.

Zu aller erst möchte ich allgemein zu dem ganzen "weltwärts"-Projekt Stellung nehmen. Vor meiner Ausreise fragten mich viele Leute Ähnliches wie: "Wieso machst du das eigentlich?","Wieso Indien, da ist es doch dreckig wie Scheiße" oder den Klassiker  "Du gehst dorthin um zu helfen oder?". Um das Ganze zu verstehen, darf man "weltwärts" weder als Entwicklungsarbeit noch als "Ein-Jahr-im-Ausland-chillen" sehen. Als Außenstehender sieht man "weltwärts" vermutlich als komplett egoistischen Dienst an. "Der Staat sponsert diesen jungen Knaben, damit er es sich ein Jahr lang, ohne was zu zahlen, im Ausland gemütlich machen kann und dann fragt der mich noch nach Spenden? Der spinnt doch, da kommt ja kein Pfennig bei den Leuten vor Ort an, die das Geld wirklich brauchen", mag sich Mancher gedacht haben.
Ja, im Grunde wirkt das Ganze recht egoistisch, denn um ehrlich zu sein ist es eher ein Dienst für mich selbst, statt für die Menschen vor Ort. Man könnte es ganz einfach als "Stärkung der Persönlichkeit" oder "Aneignung und besseres Verständnis von Werten wie Toleranz und Akzeptanz" ausdrücken, als was ich es zunächst auch beschrieben habe. Wobei das auch nur kurze und oberflächliche Erklärungen sind, mit denen manch einer nichts anzufangen weiß bzw. die Tiefgründigkeit dessen nicht versteht. Ich konnte mir am Anfang meines Einsatzes auch nichts Genaueres darunter vorstellen, bis ich es eben im Laufe der Zeit am eigenen Leibe erfahren habe.
Um es Ihnen ein kleines Stück näher zu bringen, möchte ich Sie dazu auffordern, sich folgendes Szenario vorzustellen:

Sie kommen in ein fremdes Land, dessen Kultur sich komplett von unserer unterscheidet und müssen nun ein Jahr lang mit den Leuten vor Ort zusammenleben. Was heißt nun andere Kultur? Sie fängt bei ganz oberflächlichen Sachen wie Kleidung, Essen oder Sprache an und reicht bis hin zum allgemeinen Denken, Handeln und Werteverständnis (Was oftmals viele vergessen).
Jetzt stehen Sie vor der Wahl ob Sie dem Ganzen offen gegenüber treten, oder an Ihrer gewohnten Kultur verharren.

Wählen Sie Option zwei, isolieren Sie sich selber von der Gemeinschaft, die demzufolge auch den Kontakt mit Ihnen meiden wird, wodurch Sie schließlich in die Einsamkeit und am Ende auch in die Verzweiflung rutschen. Die Schuld daran schieben Sie ganz einfach den Leuten vor Ort in die Schuhe, da Ihr Verständnis ja das "richtige" und das der Anderen das "falsche" ist. So kehren Sie dann, wenn überhaupt nicht früher, nach einem Jahr in die Heimat zurück. Was haben Sie gelernt? Dass Menschen aus anderen Kulturkreisen sich wie Hinterwäldler verhalten und selber schuld an ihrer jetzigen Lage sind? Dass die eigene Kultur das einzig Wahre ist?-Wo bleibt da die Selbstreflexion?

Nun wählen Sie Option eins, Sie lassen sich auf das Leben in einer fremden Kultur ein und versuchen durch das Mitleben in ihr, sie gewissermaßen zu verstehen. Damit ist nicht gemeint, dass wenn man jeden Tag Reis isst und sich dem Kleidungsstil anpasst, zum Kulturversteher wird. Man sollte sich der Gemeinschaft öffnen, mit ihr interagieren, um so die Prozesse nachzuvollziehen und zu erfahren wieso es so ist, wie es ist. Durch das Eintauchen in die anfangs fremde Kultur öffnen sich neue Wege für einen Selbst, seien es neu geschlossene Freundschaften oder neu erworbene Fähigkeiten, dabei ist es aber vor allem wichtig sich selbst zu reflektieren bzw. auch seine Kultur zu hinterfragen um so persönlich daran zu wachsen. Selbstverständlich sollte man dabei seine eigene Kultur nicht komplett aufgeben, schließlich ist sie tief in uns verankert und hat uns unter anderem zu dem gemacht, was wir heute sind. Auf dem Weg werden immer wieder Konflikte entstehen, seien es zwischenmenschliche oder Sachen die man einfach nicht akzeptieren kann, jedoch ist es in solchen Situationen am wichtigsten, das Problem erst mal bei sich selbst zu suchen, anstatt es dem anderen anzuhängen. Lebt man nach diesem Prinzip, kann dieses Jahr eine der angenehmsten, intensivsten und lehrreichsten Erfahrungen für sein späteres Leben werden. Besonders bei jungen Erwachsenen, die noch ein langes Leben vor sich haben und nun langsam in die Erwachsenenwelt eintauchen.

Nachdem ich Ihnen, mit meinem kleinem Gedankenausflug eines der Hauptziele des "weltwärts"-Programms näher gebracht habe, stellt sich nun die Frage, inwiefern sich der Freiwillige, mit seinen erworbenen Eigenschaften, am Wandel der Gesellschaft beteiligen kann.

In den heutigen Zeiten der Globalisierung, in denen die westliche Kultur auf dem Vormarsch ist und Geld eine immer wichtigere Rolle im Leben der Menschen spielt, sollte es Menschen geben, die dank ihrer Erfahrungen im interkulturellen Konflikt als Verständiger  auftreten, um so weiteren Spannungen vorzubeugen. Besonders im Anbetracht der derzeitigen Lage in Deutschland. Die letzten Jahre waren geprägt von Flüchtlingsströmen aus Krisengebieten wie Syrien oder Afghanistan, insgesamt kamen knapp 1,09 Flüchtlinge nach Deutschland. Die Lage hat sich dank verschiedener Abkommen wie z.B. mit der Türkei beruhigt, jedoch ist das auch keine Langzeitlösung die Menschen einfach in Lagern außerhalb der EU zu sammeln. Konzentriert man sich jetzt aber mal nur auf die Lage in Deutschland, wird einem sehr schnell klar, dass die Integration der Abertausenden von Menschen, ein doch sehr heikles Thema, mit ausgesprochen viel Konfliktpotenzial ist. Zwar können Politiker Lösungsansätze ausarbeiten, die Ausführung dieser Aufgabe liegt dann aber doch in der Hand der deutschen Gesellschaft. Hier tritt der Freiwillige als Verständiger zwischen beider Parteien auf, um auf der einen Seite den Menschen den Einstieg in die neue Kultur zu erleichtern und auf der Anderen einer polarisierenden Gesellschaft entgegenzuwirken.

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