Namaskarman meine Damen und Herren,
nach meinen letzten Beiträgen zu meinem Leben in
Amaravati und der ein oder anderen Reise, möchte ich das Selbstbezogene etwas
in den Hintergrund stellen um Sie über gewisse andere Sachen zu informieren.
Wer sich also näher nach meinem Gemütszustand erkundigen möchte, sollte mich
lieber persönlich kontaktieren und sich jetzt nicht allzu viel erhoffen.
Nun denn würde ich trotzdem kurz was zu meinen
Erlebnissen der letzten zwei Monate sagen, ohne großartig darauf einzugehen.
Wie ich schon im letzten Artikel erwähnt habe, war ich Anfang Februar auf dem
Zwischenseminar in Tiruchirapalli (kurz Trichy). Dort trafen sich alle derzeitigen
MaZler in Indien um sich nicht nur über ihre Erfahrungen und Erlebnisse
auszutauschen, sondern auch durch Treffen mit indischen Studenten und
Professoren sein kulturelles Verständnis zu vertiefen oder vielleicht auch zu
hinterfragen, man weiß ja nie. Ich persönlich habe das Seminar als sehr
wertvoll erlebt, da ich daraus viel Motivation für die kommenden Monate
schöpfen konnte und es einfach mal wieder gut war, in einer Gemeinschaft zu
leben, die aus dem gleichen Kulturkreis kommt. Höhepunkt war der "deutsche
Abend", an dem ich gemütlich-am-Bier-nippend Grillmeister spielen durfte,
wie es sich auch gehört ;)
Nach dieser phänomenalen Überleitung, würde ich gerne
mit dem Teil anfangen, in dem Tacheles gesprochen wird. Das ganze wird, wegen
der Länge, in drei Posts aufgeteilt. Die ersten beiden Posts werden keine
Bilder enthalten, der dritte ist dafür aber ein purer Bilderpost, der ohne
große Worte meine letzten zwei Monate beschreibt.
Ich bitte Sie sich für das Nachfolgende wirklich
Zeit zu nehmen und nicht einfach unkonzentriert zu überfliegen, um das darin
Geschriebene auch wirklich nachzuvollziehen.
Zu aller erst möchte ich allgemein zu dem ganzen
"weltwärts"-Projekt Stellung nehmen. Vor meiner Ausreise fragten mich
viele Leute Ähnliches wie: "Wieso machst du das
eigentlich?","Wieso Indien, da ist es doch dreckig wie Scheiße"
oder den Klassiker "Du gehst dorthin um zu helfen oder?". Um
das Ganze zu verstehen, darf man "weltwärts" weder als
Entwicklungsarbeit noch als "Ein-Jahr-im-Ausland-chillen" sehen. Als
Außenstehender sieht man "weltwärts" vermutlich als komplett
egoistischen Dienst an. "Der Staat sponsert diesen jungen Knaben, damit er
es sich ein Jahr lang, ohne was zu zahlen, im Ausland gemütlich machen kann und
dann fragt der mich noch nach Spenden? Der spinnt doch, da kommt ja kein
Pfennig bei den Leuten vor Ort an, die das Geld wirklich brauchen", mag
sich Mancher gedacht haben.
Ja, im Grunde wirkt das Ganze recht
egoistisch, denn um ehrlich zu sein ist es eher ein Dienst für mich selbst,
statt für die Menschen vor Ort. Man könnte es ganz einfach als "Stärkung
der Persönlichkeit" oder "Aneignung und besseres Verständnis von
Werten wie Toleranz und Akzeptanz" ausdrücken, als was ich es zunächst
auch beschrieben habe. Wobei das auch nur kurze und oberflächliche Erklärungen
sind, mit denen manch einer nichts anzufangen weiß bzw. die Tiefgründigkeit
dessen nicht versteht. Ich konnte mir am Anfang meines Einsatzes auch nichts
Genaueres darunter vorstellen, bis ich es eben im Laufe der Zeit am eigenen
Leibe erfahren habe.
Um es Ihnen ein kleines Stück näher zu bringen,
möchte ich Sie dazu auffordern, sich folgendes Szenario vorzustellen:
Sie kommen in ein fremdes Land, dessen Kultur sich
komplett von unserer unterscheidet und müssen nun ein Jahr lang mit den Leuten
vor Ort zusammenleben. Was heißt nun andere Kultur? Sie fängt bei ganz
oberflächlichen Sachen wie Kleidung, Essen oder Sprache an und reicht bis hin
zum allgemeinen Denken, Handeln und Werteverständnis (Was oftmals viele
vergessen).
Jetzt stehen Sie vor der Wahl ob Sie dem Ganzen offen
gegenüber treten, oder an Ihrer gewohnten Kultur verharren.
Wählen Sie Option zwei, isolieren Sie sich selber von
der Gemeinschaft, die demzufolge auch den Kontakt mit Ihnen meiden wird,
wodurch Sie schließlich in die Einsamkeit und am Ende auch in die Verzweiflung
rutschen. Die Schuld daran schieben Sie ganz einfach den Leuten vor Ort in die
Schuhe, da Ihr Verständnis ja das "richtige" und das der Anderen das
"falsche" ist. So kehren Sie dann, wenn überhaupt nicht früher, nach
einem Jahr in die Heimat zurück. Was haben Sie gelernt? Dass Menschen aus
anderen Kulturkreisen sich wie Hinterwäldler verhalten und selber schuld an
ihrer jetzigen Lage sind? Dass die eigene Kultur das einzig Wahre ist?-Wo
bleibt da die Selbstreflexion?
Nun wählen Sie Option eins, Sie lassen sich auf das
Leben in einer fremden Kultur ein und versuchen durch das Mitleben in ihr, sie
gewissermaßen zu verstehen. Damit ist nicht gemeint, dass wenn man jeden Tag
Reis isst und sich dem Kleidungsstil anpasst, zum Kulturversteher wird. Man
sollte sich der Gemeinschaft öffnen, mit ihr interagieren, um so die Prozesse
nachzuvollziehen und zu erfahren wieso es so ist, wie es ist. Durch das
Eintauchen in die anfangs fremde Kultur öffnen sich neue Wege für einen Selbst,
seien es neu geschlossene Freundschaften oder neu erworbene Fähigkeiten, dabei
ist es aber vor allem wichtig sich selbst zu reflektieren bzw. auch seine
Kultur zu hinterfragen um so persönlich daran zu wachsen. Selbstverständlich
sollte man dabei seine eigene Kultur nicht komplett aufgeben, schließlich ist
sie tief in uns verankert und hat uns unter anderem zu dem gemacht, was wir
heute sind. Auf dem Weg werden immer wieder Konflikte entstehen, seien es
zwischenmenschliche oder Sachen die man einfach nicht akzeptieren kann, jedoch
ist es in solchen Situationen am wichtigsten, das Problem erst mal bei sich
selbst zu suchen, anstatt es dem anderen anzuhängen. Lebt man nach diesem
Prinzip, kann dieses Jahr eine der angenehmsten, intensivsten und lehrreichsten
Erfahrungen für sein späteres Leben werden. Besonders bei jungen Erwachsenen,
die noch ein langes Leben vor sich haben und nun langsam in die Erwachsenenwelt
eintauchen.
Nachdem ich Ihnen, mit meinem kleinem
Gedankenausflug eines der Hauptziele des "weltwärts"-Programms näher
gebracht habe, stellt sich nun die Frage, inwiefern sich der Freiwillige, mit
seinen erworbenen Eigenschaften, am Wandel der Gesellschaft beteiligen kann.
In den heutigen Zeiten der Globalisierung, in denen
die westliche Kultur auf dem Vormarsch ist und Geld eine immer wichtigere Rolle
im Leben der Menschen spielt, sollte es Menschen geben, die dank ihrer
Erfahrungen im interkulturellen Konflikt als Verständiger auftreten,
um so weiteren Spannungen vorzubeugen. Besonders im Anbetracht der derzeitigen
Lage in Deutschland. Die letzten Jahre waren geprägt von Flüchtlingsströmen aus
Krisengebieten wie Syrien oder Afghanistan, insgesamt kamen knapp 1,09
Flüchtlinge nach Deutschland. Die Lage hat sich dank verschiedener Abkommen wie
z.B. mit der Türkei beruhigt, jedoch ist das auch keine Langzeitlösung die
Menschen einfach in Lagern außerhalb der EU zu sammeln. Konzentriert man sich
jetzt aber mal nur auf die Lage in Deutschland, wird einem sehr schnell klar,
dass die Integration der Abertausenden von Menschen, ein doch sehr heikles
Thema, mit ausgesprochen viel Konfliktpotenzial ist. Zwar können Politiker
Lösungsansätze ausarbeiten, die Ausführung dieser Aufgabe liegt dann aber doch
in der Hand der deutschen Gesellschaft. Hier tritt der Freiwillige als
Verständiger zwischen beider Parteien auf, um auf der einen Seite den Menschen
den Einstieg in die neue Kultur zu erleichtern und auf der Anderen einer
polarisierenden Gesellschaft entgegenzuwirken.